Tagebuch einer Pflegestelle

 

Tagebuch einer Pflegestelle

Heute möchte ich gerne noch einmal versuchen, Euch auf das Thema ,,Pflegestelle“ aufmerksam zu machen.
Elena hat sich unserem Knopf angenommen, der auf Grund seiner psychischen Auffälligkeit ein ganz besonderer Hund ist.
Daher möchte ich Euch einladen, Elenas Tagebuch zu lesen. Hier beschreibt sie eindrucksvoll, welchen Herausforderungen sie täglich mit Knopf ausgesetzt ist.
Elena wird uns in regelmäßigen Abständen über Knopf informieren und wir wünschen Euch nachdenkliche, aber auch lustige Minuten.

Knopf hatte ein wenig Pech beim Ankommen in Deutschland und es dauerte, bis er eine Pflegestelle finden konnte, die mit seinen ,,Panik-Attacken“ umgehen kann. Bei uns ist er gelandet, weil eine freundliche Nachbarin, die ihm sein Ticket aus Rumänien finanzierte, der Meinung ist, er wäre hier perfekt aufgehoben. Nun glauben wir ja nicht alles, was wir erzählt bekommen und hatten außerdem zum Zeitpunkt des Gesprächs gerade keine Kapazitäten für einen zweiten Hund und verschoben das versprochene Kennenlernen auf einige Wochen später (immer in der Hoffnung, daß der Hundeknabe inzwischen jemanden gefunden hätte, der sich um ihn kümmern möchte). Aber die Wochen gingen ins Land und Knopf wartete und wartete – auf uns, wie´s aussah. Nach dem ersten Kennenlernen war klar: dieser arme Knopf braucht dringend eine Auszeit von den anderen Hunden und mehr individuelle Zuwendung, als er auf dem Tierschutzhof bekommen konnte. Mit Stephans Versprechen, daß Knopf zurückkommen dürfte, falls es im neuen Zuhause Probleme mit dem Ersthund oder der Chef-Katze gibt, trauten wir uns mit Knopf zusammen ins kalte Wasser zu springen: drei Tage nach dem Kennenlernen zog er bei uns ein. Nicht wirklich freiwillig, aber dennochsmile

alles ist sehr aufregend – für Knopf, aber auch für die Mitglieder der Pflegefamilie; man kennt sich schließlich bisher nur vom Sehen! Knopf findet den neuen Garten seeehr unheimlich; jedes Blättchen könnte ein Angreifer sein, jeder Windhauch eine ernste Bedrohung – man weiß ja nie! Etwas besser geht es ihm im Haus, wo er sofort versucht, das Sofa in Besitz zu nehmen und sich vor Aufregung erst mal erbrechen muss. Mist; das gute Abendessen, einfach weg! Und das Sofa ist auch kein erlaubter Ort – wo ist er da nur gelandet? Aber da der Ersthund schon nicht aufs Sofa darf, gibt es für Gäste im Sinne der Gleichberechtigung natürlich auch keine Sonderrechte – nicht, dass hier schon erste Eifersucht geschürt würde! Es fiel ihm sehr schwer, die Unruhe mit pausenlosem ,,Streife-Gehen“ abzulegen. Weil das neue Pflegefrauchen die Nachtruhe für alle Beteiligten in Gefahr sah, gab es erst mal ein homöopathisches ,,Doping“ – und wer behauptet, das sei alles nur Placebo-Effekt, der sollte sich mal mit Knopf unterhalten, der plötzlich wie abgeschaltet zur Ruhe kommen konnte. Übrigens ist noch immer nicht ganz geklärt, wer da am meisten Mut brauchte, um die Kügelchen in den Hund zu bekommen: das Frauchen, die sich nicht so ganz sicher war, ob Knopf nicht vielleicht schnappen würde, weil er das Gefummel an seiner Schnute so gar nicht witzig fände oder Knopf selbst, als diese fremde Frau ihm in seinem Rückzugsort zwischen Sofa und Couchtisch nachrobbte… aber: alles klappte und die erste Nacht war gerettet!

Prima, die Nacht war ruhig verlaufen – Knopf hielt sogar dicht! Wir waren begeistert. Er leider noch nicht so ganz; denn alles setzt ihn unter Streß: ein Mensch, der die Treppe hinunter ins Wohnzimmer kommt, das Hochziehen der Rollläden, das Öffnen der Balkontür – und Auweia, da musste wohl auch noch jemand niesen! Und dann kommt da noch ein ganz komisches Tier zur Haustür herein und miaut lautstark herum. Eine Mini-Panik-Attacke folgt quasi der nächsten. Aber immerhin klappt die Kommunikation mit dem Kater bestens: Ich tu´ Dir nichts und Du tust mir nichts – das ist doch schon mal eine prima Arbeitsgrundlage! Trotz allem schafft er es irgendwie in den Garten zu kommen und sein Bein zu heben: super! Nicht so super: es war an den Tomaten 🙁 Naja, aller Anfang ist eben schwer. Und das werden sowohl Knopf als auch seine neuen Menschen in den nächsten Tagen noch öfter denken!

Wir sind damit beschäftigt uns gegenseitig kennenzulernen. Die Menschen versuchen heraus zu bekommen, was Knopf besonders unter Druck setzt, um das dann vielleicht vermeiden zu können. Knopf versucht inzwischen zu verstehen, wo er denn nun gelandet ist: Sofa tabu und deshalb komplett voll gestellt, damit er nicht doch hinkuscheln kann. Der Ersthund ist freundlich desinteressiert – immerhin mobbt er nicht, aber die Gemeinsamkeiten halten sich in engen Grenzen- und morgens gehen alle aus dem Haus, nur das Frauchen hat anscheinend Ferien und die Zeit, sich mit ihm zu beschäftigen. Was ihm aber auch etwas unheimlich ist… Und zum Schlafen gehen die in das andere Stockwerk, in das er sich leider üüüüberhaupt nicht traut, obwohl die Treppe selbst nicht das Hindernis sein kann, denn so eine muss er auch bewältigen, wenn er in den Garten möchte. Verzeihung; MUSS – von mögen kann kein Rede sein, denn dort ist ja einfach alles völlig unberechenbar. Nach kurzer Zeit ist nur eines sicher: es ist unmöglich auch nur irgend etwas zu vermeiden, was Knopf erschrecken könnte, denn er hat einfach vor allem Angst – wahrscheinlich auch vor seinem eigenen Schatten. Also beschließen wir in seinem Interesse, dass er eben lernen muss, mit den normalen Geräuschen, Bewegungen und Gerüchen des Alltags fertig zu werden, auch wenn das im ersten Moment hart ist – wir können bei aller Rücksicht ja das Leben nicht aufhalten. Das wird er lernen müssen, wenn er irgendwann sowas ähnliches wie ein „normales“ Hundeleben führen möchte.